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Schwedischer Dreirad-Klassiker: Flakmoped

05 Juli, 2009

Flakmoped - on the road again - Womit befördert man ein Billy-Regal auf einer autofreien Insel nach Hause?

Wie die Kinder zum Eiscafé, die Hummerreusen zum Hafen, den Sperrmüll zur Deponie, den Sonntags-Brunch-Buffet zum Strand, die Kumpels zur Schule oder ausgemusterte Weihnachtsbäume zum Osterfeuer? Ganz einfach: Man nehme ein Flakmoppe, wie der Schwede sagt. Er meint damit ein Transportmoped auf drei Rädern, dessen gerade mal 95 x 95 Zentimeter große Ladefläche offensichtlich weder der Lastkapazität noch dem Einfallsreichtum seiner Besitzer Grenzen zu setzen vermag.

Mancherorts wie auf den Schären vor Göteborg zwar totgesagt, da dort strombetriebene Golfplatz-Caddys in Sachen Logistik in Konkurrenz treten, sind die knatternden Vehikel doch von den Inseln nicht wegzudenken. Und auch auf dem Festland bekommen selbst hart gesottene Harley-Davidson-Fetischisten von heute noch feuchte Augen, wenn sie an ihre ersten heimlichen Runden hinterm Haus auf Pappas Monark, Baujahr 1962, mit Zweitakter-Ilo-Motor V 50, 0,8 PS bei 4300 U/min denken. Das Flakmoped lebt nicht nur immer noch; es wird im mittelschwedischen Årjäng immer noch gebaut.

Da auf den Inseln ohne Autoverkehr von jeher bevorzugtes Transportmittel, war es nicht ungewöhnlich, dass sich auch die Mädchen ganz selbstverständlich auf den meist blau oder grün lackierten Mopeds bei maximal 30 km/h den Fahrtwind um die Nase wehen ließen. So, wie Maria Linde Olsson, die heute mit ihrer Familie auf der Insel Fotö in Göteborgs nördlichen Schären lebt. Aufgewachsen ist sie in den südlichen, auf Donsö, „quasi auf dem Moped“, erzählt sie lachend. Als sie zwölf war, brachte ihr Großvater Gustav bei, den Sachs-Motor Baujahr 77 zu starten. Von da an war es passé, nur Mitfahrer auf der Ladefläche zu sein.

Just Opas Flakmoped tut auch heute noch Dienst. Zwei ausrangierte Getränkekisten wurden zu Kindersitzen für Sohn Gustav und Tochter Ammi umfunktioniert, als die beiden noch ganz klein waren. Daneben haben noch der Picknickkorb und Hund Ronja Platz. Mal flink zum Fußballplatz mit den Kindern? Das geht schneller mit der grünen Crescent als man den Volvo aus der Garage holen kann.

Jeder „pimpt“ sich sein Flak nach eigenen Bedürfnissen auf. Eine Babyschaukel, solide arretiert, ist der Kindersitz für die dreijährige Ebba, wenn sie mit Pappa Michael mal schnell auf Hönö in die Eisdiele will. Tomas Palm hat an seinem Monarc von 1962 zwei Stücke Abflußrohr festgeschraubt: die perfekte Halterung für die Angeln, wenn er abends zum Boot tuckert, um Makrelen zu fangen.

Sein Moped wäre vor 20 Jahren beinahe auf dem Müll gelandet. Er fand den Rahmen vor dem Haus eines Bekannten. Ein Rad fehlte und der Sattel. Der Motor musste wieder in Schwung gebracht werden. Tochter Anne, damals gerade mal vier Jahr alt, durfte bestimmen, in welcher Farbe das Moped angemalt werden sollte: rosa. Pro Jahr investiert Thomas Palm einen ganzen Tag, um das Flak für die Saison von März bis November startklar zu machen. Und, er ist überzeugt: „Es wird mein ganzes Leben halten“. Schließlich gebe es noch alle Ersatzteile, sagt er und beäugt die Speichen der Räder. Die müssten wohl demnächst, also nach 30 Jahren im Dienst, mal ausgewechselt werden. Tanken? Sehr selten. Einmal im Jahr vier Liter Gemisch 95 Oktan mit vier Prozent Zweitaktöl.

Mit der gleichen Tankfüllung kommt die 16-jährige Tina Karlsson von Hönö gerade mal eine Woche aus. Hin und zurück zur Schule und am Abend mal eine Runde über die Insel drehen. Sie teilt sich das Moped aus den 70er Jahren mit ihrem Vater Lars. Der lässt die Jamaha im Winter lieber in der Garage stehen und steigt auf das „Dreirad“ um, um zur Arbeit auf die nächste Insel zu fahren.

Ihre Mopeds verkaufen? Das fällt kaum einem der Insulaner ein. Zu viele Erinnerungen sind für sie mit den nostalgischen Gefährten verbunden. Sentimental-touch pur auch auf dem Festland: Kurt Rubin, einer von 350 Mopedenthusiasten des Veteranenklubs Bärje Moppers aus Skaane, schätzt Patina: Man darf sein Moppe aus der Jugendzeit nicht zu sehr polieren, sonst beraubt man es seiner Seele, ist er überzeugt. Sagt’s und knattert mit den anderen im blauen Zweitakterqualm über Schotterpisten zur Herbstausfahrt in Richtung Halland, um Kumpel Göran Martinsson zu besuchen, der gut 200 zwei- und dreirädrige Raritäten aus den 50er bis 70er Jahren in seinem Stall parkt.

Neuere gebrauchte Modelle wechseln hingegen schon mal den Besitzer. Das schwedische Pendant zu e-bay – „Blocket“ – listet im ganzen Land um die hundert Exemplare in einer Preisspanne zwischen 5000 und 25 000 Kronen aus. Sie werden meist als zuverlässige Arbeitstiere beschrieben, die beispielsweise bis zu 200 Kilo Brennholz vom Wald in den heimischen Schuppen stemmen. Manche sind naturgemäß etwas überholungsbedürftig, bevor sie wieder in Fahrt kommen.

Und wenn der Schwede nicht weiter weiß, dann fragt er eben Bildoktorn Bosse Andersson, Radio- und TV-Ratgeber in Sachen Auto und Motorrad. Bosse erinnert sich in einem Zeitungsinterview an einen außergewöhnlichen Fall. Einem Mann machte sein Flakmoped besonders an Steigungen Kummer, es kämpfte sich kraftlos den Hang hoch. Bosse diagnostizierte mehrere mögliche Fehler, aber keiner traf auf dieses Moped zu. Bis er schließlich den Besitzer nach dessen Gewicht fragte. Als der antwortete „120 Kilo“, war Bosse klar, warum das Flak bergauf schwächelte. Später meldete sich der Mann übrigens noch einmal bei Bosse, um zu erklären, dass „der Fehler“ jetzt endgültig behoben sei. Er hatte sich nämlich den Weightwatchers angeschlossen.

In Norrtälje schuftete ein Klasse am Technikgymnasium an einem dampfbetriebenen Flakmoped, und beim legendären Treffen des Cadillac-Clubs Sweden sorgte Stefan Wallin aus Taberg für Aufsehen. Sein selbst gebautes Lastmoped ist mit einem Cadillac V 8 Motor, mit nicht weniger als 8,2 Liter ausgerüstet und gilt damit als das weltweit stärkste Dreirad seiner Klasse.

Wer sein Talent im Beherrschen eines Flakmopeds testen möchte, findet vielleicht an dem Computerspiel Nacho Libre Racer Gefallen. Von mexikanischer Musik begleitet gilt es, in eine Mönchskutte gewandet gegen drei Motorräder mit Beiwagen einen Parcour in schnellstmöglicher Zeit zu bewältigen ohne mit Eseln zu kollidieren och in Ölpfützen auszugleiten.

Selbst in Musikerkreisen, im Film und in der Literatur führt kein Weg an den Flakmopeds vorbei. Der värmländische Liedermacher Göran Samuelsson versammelt jedes Jahr schwedische Musiker um sich und tourt mit ihnen über eine Woche lang durch seine Heimat. Auf Flakmopeds. 1992 war er auf die Idee gekommen: Eine Tournee funktioniert auch ohne Autos. Ein bisschen Blues, Rock, Pop, Country. Die Veranstaltung hat mittlerweile Kultstatus in eingeweihten Kreisen. Man denke an die kleine Roadmovie-Szene in dem Film „Populärmusik aus Vittula“, als Matti und Niila mit dem Flak durch die karge Einöde der nördlichsten Ecke Schwedens eiern, auf dem holprigen Weg, die Freiheit in der Rockmusik zu finden.

Auch die Krimiautorin Camilla Läckberg bedient sich in einem ihrer Romane („Tyskungen“) um die Journalistin Erika Falck in Fjällbacka eines Flakmopeds. Jugendliche nutzen es, um sich in den 40er Jahren einer Leiche zu entledigen. Kleiner vaux pas der Schriftstellerin: Flakmopeds gab es erst ab 1953 in Schweden. In einer späteren Auflage des Buches wurde daraus in der korrigierten Fassung ein Fahrrad mit Anhänger.

Eines der kleinsten Flakmopeds gibt es übrigens schon für 25 Kronen zu kaufen. Es ist ein N-Modellbausatz in Metall, der schon eine gewisse Herausforderung an die Feinmotorik seines Besitzers stellt. Wem das zu diffizil und zu teuer erscheint, kommt noch billiger davon, wenn er 5,50 Kronen in eine Briefmarke der Serie „Geliebte Mopeds“ investiert. Meistergraveur Piotr Naszarkowski hat eine typische Szene für die schwedische Post festgehalten. Ein Norsjö-Packmoped aus den 70er Jahren.

Die Post ist auch heute noch einer der größten Abnehmer der jüngsten Generation von Lastmopeds. Daneben schätzen Park- und Friedhofsverwaltungen und die Industrie die Präsenz der motorisierten Dreiräder in ihrem Fuhrpark. Die Vorteile dieses Transportsmittels liegen auf der Hand, findet Peter Rodin, Pressesprecher des Herstellers Norsjö in Värmland. Schließlich sei das Moped eine konkurrenzfähige Alternative zu Autos und darüberhinaus, wenn man das mit Elektromotor ausgestattete Modell wählt, auch eine umweltfreundliche. Das Moped werde auch mit schweren Lasten gut fertig, sei stabil und gleichzeitig geschmeidig im dichten Verkehr, gelange dorthin, wo Pkws nicht reinfahren dürfen und habe bei der Parkplatzsuche kaum Kummer.

Kein Wunder also, dass Norsjö-Chef Holger Eriksson einen potentiellen Markt nicht nur in Norwegen und Dänemark sondern überhaupt auf dem europäischen Kontinent wittert. Er ist absolut zuversichtlich, dass der schwedische Klassiker außerhalb des Königreichs eine Renaissance erlebt und eigentlich macht ihn nur eines ein bisschen unruhig. Unter welchem Namen soll das Flakmoped dort etabliert werden? Dem Schotten macht man’s leicht: Der holt sich vielleicht künftig sein Fässchen Malt-Whisky mit dem flatbed moped von der Destillerie. Die Deutschen dürfen indes noch ein wenig über einen originellen Namen fürs Dreirad grübeln. auto-reporter/Dagmar Lorek

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