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Der Wirtschaftkrimi um die Kultmarke Saab

07 Oktober, 2014

Es gab viele Höhen. Und noch viel mehr Tiefen. Der schwedische Autohersteller Saab sorgte bei seinen gerade in Deutschland zahlreichen Fans immer wieder für Wechselbäder der Gefühle. Seit der Präsentation des ersten Modells,

des 92001, jagten sich die guten und die schlechten Nachrichten. Und jetzt scheint es mit der Kultmarke endgültig zu Ende zu gehen. Das wäre ein herber Verlust für die Automobilwelt - aus vielerlei Gründen.
Schon beim Anlassen zeigt sich die erste Besonderheit: das Zündschloss in der Mittelkonsole - typisch Saab. Und zwar aus einem gutem Grund, der natürlich - typisch Schweden - mit dem Thema Sicherheit zu tun hat: Die herkömmlichen Schlösser neben den Lenksäulen können im Zweifelsfall gefährlich fürs rechte Knie des Fahrers werden. Nicht so beim Saab. Und gleichzeitig diente die Platzierung am Schalthebel auch noch als zusätzliche Diebstahlssicherung. Denn der Schlüssel lässt sich nur abziehen, wenn ein Gang eingelegt ist. Die Schweden hatten schon immer ein Händchen für eigene Lösungen.
1947 wurde der Auto-Ableger des Flugzeugherstellers Saab gegründet, gleich das erste eigene Fahrzeug zeigte der mobilen Welt, wo die Reise hingehen sollte: aerodynamisches und klassisch schwedisches Design, ganz eigene technische Lösungen. Und Sicherheit.
1949 startete die Serienproduktion, der Erstling wurde Saab 92 genannt und sukzessive weiterentwickelt. Zunächst zum 93, dann zum immer noch bekannten und beliebten 96. Unglaublich, welch lange Modell-Zyklen damals noch möglich waren: Der 96 wurde 20 Jahre lang produziert, von 1960 bis 1980.
1968 legte Saab die zweite Modellreihe auf, der 99 wandelte sich über die Jahre zum 900. Die Reise ging weiter: Saab 9000, Saab 9-5, das SUV Saab 9-4X - immer hatten die Fahrzeuge ganz spezielle Eigenheiten, immer verblüfften sie mit neuen Ideen. Etwa mit den doppelten Sonnenblenden, die in nordischen Ländern mit viel schrägstehender Sonne eine wahre Wohltat sind: eine für vorne, eine für die Seite. Oder mit dem Metallbügel hinter der Rückbank, der für Sicherheit der Fond-Passagiere sorgte. Mit dem ersten ventilierten Fahrersitz, der ersten diagonal geteilten Zweikreis-Bremsanlage, dem ersten Pollenfilter oder der ersten Direktzündung, die den pannenanfälligen Zündverteiler und die Zündkerzenkabel überflüssig machte.
Von Anfang an setzte Saab auf Insassen-Sicherheit: Die Rohkarosse wurde kopfüber aufgehängt und mehrere Meter tief auf den Boden fallen gelassen, um Aufschlüsse über ihre Stabilität zu bekommen. Interessant auch die Einführung des Night Panel in den Modellen 900-II, 9-3 und 9-5: Auf Knopfdruck ließ sich nachts die Armaturenbeleuchtung auf ein Minimum reduzieren, um die Ablenkung des Fahrers und die Sicht nach vorne zu verbessern. Das war zunächst gewöhnungsbedürftig, aber effektiv.
Saab setzte stark auf Turbo-Benziner, holte aus relativ wenig Hubraum reichlich Leistung. Typisch Saab war das dynamische, elegante Gleiten mit Spurteinlagen, die sich dank Turbo-Power quasi mit links absolvieren ließen. Eine echte Freude für alle Freunde gepflegt-sportlicher Fortbewegung.
Doch die Geschäfte gingen schlecht, Saab musste 1990 General Motors mit ins Boot holen. Eine Allianz, der kein Erfolg beschieden war. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise zog sich GM 2010 aus Schweden zurück, das Rest-Unternehmen torkelte zwischen Insolvenz und Zukunfts-Plänen umher. Koenigsegg trat als Käufer auf und wieder ab, die chinesische BAIC-Gruppe holte sich Technik und Fertigungsanlagen für 9-3 und 9-5, Sportwagenhersteller Spyker stieg ein, konnte aber schon bald die Zulieferer nicht mehr bedienen.
Nach vielen Irrungen und Wirrungen übernahm Mitte 2012 die neu firmierte National Electric Vehicle Sweden (NEVS) die Reste von Saab. Ihr Ziel: Am Stammfirmensitz in Trollhättan sollten vor allem Elektroautos entwickelt und gebaut werden. Dieses Jahr sollte es losgehen. Doch nach dem Produktionsstart für den benzinbetriebenen 9-3 im September 2013 häuften sich die Probleme. Auch der aktuelle Betreiber laboriert unter massiven finanziellen Engpässen, deshalb schaut es aktuell wieder ganz, ganz finster aus für Saab. Alles spricht dafür, dass bei der Kultmarke diesmal endgültig die Bänder stehenbleiben.
Eigentlich. Doch vielleicht geht es ja trotzdem weiter: Ein Zulieferer, der die aktuelle Krise wegen ausstehender Zahlungen ausgelöst hatte, hat offenbar seine Klage zurückgezogen. In Trollhättan wird weiter gezittert und gehofft. In Deutschland genauso: "Ich bin eigentlich eine stabile Natur", so ein Fan der Schweden-Marke auf saabblog.net. "Aber jetzt schon wieder dieser aufreibende Wirtschaftskrimi" - Vermutlich muss der Mann noch länger bangen. Rudolf Huber/mid

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