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Der Tempomat von morgen: Er weiß was, was du nicht weißt

29 Juni, 2011

Eigentlich gibt es gar keinen Grund zuzutreten. Der Verstand weiß das. Doch das Vertrauen reicht nicht aus und deshalb tritt er doch, der rechte Fuß des Fahrers - und zwar auf die Bremse. Der Grund für diesen unnötigen Gewaltakt ist

eine schlecht einsehbare, weil enge Rechtskurve unweit des schwäbischen Ortes Weissach, auf die der Porsche Panamera S mit dem neuen "ACC Inno Drive" an Bord unbeirrt zu rauscht. Für den Fahrer ist das Tempo zu hoch. Für den Panamera und die Strecke nicht. Denn der Zuffenhäuser Gran Turismo weiß mehr als der Fahrer. Er kennt den Radius der Kurve und den weiteren Streckenverlauf.
Und tatsächlich - schnell stellt der Pedaltreter fest, dass das Verzögern unnötig war und er sein Misstrauen mit einem hohen Energieverlust bezahlen muss. Genau das wollte InnoDrive eigentlich verhindern. Denn das noch in der Entwicklung steckende Assistenzsystem auf Basis eines herkömmlichen ACC, also eines Tempomaten mit Abstandsregler, hat sich zum Ziel gesetzt, dem Panamera und dessen Fahrer das Sparen zu lehren - unter Berücksichtigung von Dynamik- und Komfortwünschen versteht sich.
Dass dies niemand besser kann als Inno Drive, haben mehrere Praxistests "Mensch gegen Maschine" bewiesen. Doch das wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen. Denn jeder der hört, welche Parameter der Fahrerassistent bei seinen Berechnungen berücksichtigt, ist überzeugt davon, dass ACC Inno Drive viel mehr weiß als es jeder noch so geübte Fahrer wissen kann: die exakten Daten der zu fahrenden Strecke samt vorgeschriebener Höchstgeschwindigkeit, Kurvenradien, Steigungen, Straßenverhältnissen, Kreuzungen und dem aktuellen Zustand des Fahrzeugs. Mit Hilfe all dieser Daten berechnet die Software des Systems in Echtzeit das optimale Geschwindigkeitsprofil für die kommenden Kilometer und regelt dann vollautomatisch das bestmögliche Zusammenspiel von Gas, Getriebe und Bremse.
Wer nun ein langweiliges niedertouriges Dahingleiten erwartet, hat nicht mit Porsche gewettet. Denn der Sportwagenbauer hat bei seinen Entwicklern eine Software in Auftrag gegeben, die nicht nur all die Parameter verarbeiten kann, sondern auch "zur Marke passt", wie der Abteilungsleiter Energiemanagement, Matthias Lederer, erklärt. Das heißt: Der Fahrspaß darf der Effizienz zuliebe nicht auf der Strecke bleiben, lahmes Dahingleiten scheidet somit aus. Stattdessen bestimmt der Fahrer, wie viel er sparen und wie effizient er unterwegs sein will. In dem Prototypen-Panamera standen hierfür vier Modi zur Wahl: "Eco", "Komfort", "Dynamisch" und "Dynamisch Plus".
Erste Testfahrten auf einer kurvenreichen Etappe rund um Weissach, der Heimat des Entwicklungszentrums von Porsche und Geburtsort des Systems, zeigen, dass selbst eine Tour im Komfort-Modus nichts mit Trägheit zu tun hat. Muss vor einer Kurve beschleunigt werden, weil Schwung für den darauffolgenden Streckenabschnitt aufgebaut werden soll, dann wird auch beschleunigt. Wenn ein zurückhaltender Fahrer das als zu schnell empfindet, heißt es Vertrauen fassen. Inno Drive kennt schließlich den Kurvenradius und all die Kräfte, die bei ihrer Durchfahrt auf den Panamera wirken. Wird es ihm doch zu flott, kann er immer noch auf die Bremse treten oder einfach in den gemächlicheren "Eco-Modus" wechseln. Das Streckenprofil der Teststrecke in Weissach wurde in das System eingespeist. Doch in rund zwei Jahren, davon gehen die schwäbischen Entwickler aus, werden die großen Hersteller von Navigationssystemen ihr Kartenmaterial mit Infos zur Topographie gespeist haben und so das nötige Futter für Inno Drive liefern. Weiteren Input erhält die Software via GPS und vom "einfachen" ACC. Außerdem werden neben dem Komfort- und Dynamikwunsch des Fahrers auch noch Größen wie der aktuelle Verkehr, die Betriebstemperatur des Autos, das Wetter und die Beladung in die Berechnungen mit einbezogen.
Durch dieses vorausschauende Fahren ist der 294 kW/400 PS starke Panamera S so effizient unterwegs wie nie zuvor. Für den Kunden bedeutet dies eine Kraftstoffeinsparung von voraussichtlich zehn Prozent und mehr im realen Fahrbetrieb, also im Vergleich zur assistenzlosen Fahrt auf gleicher Strecke. Bei der Testfahrt reduzierte sich der Verbrauch von 11,04 Litern bei selbstständiger Fahrt auf 9,6 Liter im Komfort-Modus, beides Mal mit Klimaanlage und Sitzbelüftung. Der Normverbrauch des Panamera S liegt bei 10,5 Litern je 100 Kilometer.

Doch das Ende der Tüftel-Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Bereits jetzt möglich, im Prototypen aber noch nicht eingebaut, ist eine Charakterisierung des voranfahrenden Fahrzeuglenkers. Anhand dessen Brems- und Beschleunigungsmanöver kann das System zumindest erahnen, wann der Vordermann wieder auf die Bremse steigen wird - wieder zu stark, wieder zu früh und damit wieder viel zu ineffizient. Damit der Panamera-Fahrer nicht ebenso ineffektiv bremst und beschleunigt, wie das bei einem herkömmlichen, "stumpf nachahmenden" ACC geschehen würde, denkt das System mit. Wenn dies sinnvoll ist, wechselt es bereits von der Beschleunigungsfahrt in den sogenannten Segelmodus, wenn der andere Fahrer noch nicht einmal weiß, dass er gleich bremsen wird. Beim Segeln werden beide Kupplungen des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes geöffnet, sodass das Auto im Leerlauf dahingleitet und die Beschleunigung mit möglichst wenig Energieverlust zum sparsamen Voran-Rollen nutzt.
In Zukunft könnten auch noch die Daten von Ampeln oder von anderen Fahrzeugen in die Berechnungen mit einfließen, so dass am Ende eine freie und haltlose Fahrt durch Stuttgart möglich ist - so der Wunschgedanke von Lederer. Das System, an dem die Experten bereits seit 2007 arbeiten, ist für alle Verbrennungsmotoren geeignet, ebenso wie für Hybrid- und Elektroantriebe. Bis zur Serienreife werden wohl noch ein paar Jahre vergehen, in denen der Fahrer selbst einschätzen muss, mit welcher Geschwindigkeit er sinnvollerweise die nächste Kurve ansteuert. Doch so gut wie mit Inno Drive wird ihm das sicherlich nicht gelingen. Sabine Stahl/mid Bildquelle:Porsche

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