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Die Inflation der Oldtimer-Rallyes

23 Dezember, 2010

Wer einen edlen Oldtimer besitzt, der will normalerweise auch damit fahren. Gelegenheiten, dies mit Gleichgesinnten zu tun, gibt es immer mehr: Oldtimer-Rallyes sprießen wie Pilze aus dem Boden, mal mit viel Prominenz am Start, mal mit wenigen ambitionierten Teilnehmern, mal auf legendären Strecken wie der Mille Miglia, mal

in der tiefsten Provinz, wo zumeist Kühe als Zuschauer an der Strecke stehen.

Bei der Vielzahl der Veranstaltungen verliert man als Anfänger schnell den Überblick. Dirk Henning Strassl aus Seefeld bei München ist seit Jahrzehnten in der Szene aktiv. Der Mann weiß, wovon er spricht: Strassl hat vor über 25 Jahren für BMW die Abteilung "historischen Fahrzeuge" mit aufgebaut und das Konzept der BMW Euro Classic ausgearbeitet. Diese Zuverlässigkeitsfahrt durch die Alpen feierte inzwischen unter dem Namen "Südtirol Classic Schenna" in diesem Jahr ihr 25. Jubiläum. Ihren Slogan "Rallye der Sympathie" hat Dirk Henning Strassl ebenfalls kreiert.

Er selbst geht regelmäßig mit seinem Jaguar XK 120 OTS, Baujahr 1953, hier und bei etlichen anderen Veranstaltungen an den Start. Wer einen Oldtimer besitze, so ist Strassl überzeugt, habe gleichsam die Verpflichtung, diesen auch zu fahren. "Klassische Fahrzeuge sind Kulturgüter und lebendige Zeugen des Maschinenbaus, zeugen von innovativem Design und industrieller Leistungsfähigkeit, die man erhalten und auch einsetzen muss", sagt er. Mit seinem Jaguar kommt er auf eine Jahresleistung von bis zu 8 000 Kilometer, wobei die Anfahrten zur Rallye auf eigener Achse erfolgen - das ist Ehrensache. Zwar gehe immer mal wieder etwas kaputt, aber das gehöre eben zur Charakteristik dieser Fahrzeuge. "Moderne Autos sind mir zu perfekt." Stattdessen genießt es Strassl, während der Fahrt mit Kenner-Ohr auf die Befindlichkeiten von Motor, Getriebe sowie Achsen und Räder zu achten.

Der Faszination von alten Automobilen erliegen in Deutschland immer mehr Menschen. Knapp 210 000 Fahrzeuge haben hierzulande das spezielle H-Kennzeichen für historische Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sein müssen. Tendenz steigend. Einsteigern empfiehlt Strassl die Lektüre einschlägiger Fachzeitschriften sowie den Besuch von Fachmessen. Dort gebe es Experten, die Neulingen bereitwillig mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Inzwischen gibt es in Mitteleuropa mehrere hundert Veteranenrallyes. Das Niveau reicht von sehr sportlichen und professionellen Veranstaltungen wie der Mille Miglia oder der Ennstal Classic über mit Prominenten gespickte Termine wie der Silvretta Classic bis hin zur 2 000-km-Deutschlandfahrt, Mittelrhein-Classic, Sachsen-Classic, oder der Rallye Bavaria Classic.
Besonders Letztere sei für Anfänger empfehlenswert, da hier auch ohne Zeitnahme und Punktewertung mitgefahren werden kann. Wenn kein potenter Sponsor hinter einer Oldtimer-Rallye steht, muss sich der Veranstalter über die Nenngelder finanzieren. Sie betragen oft zwischen 1 500 und 2 000 Euro pro Auto. Zusammen mit Versicherungspolice, Wartungs- und Reparaturkosten, Spezialbenzin und Reisespesen kommt so schnell eine stolze Summe zusammen.

Dass sich immer öfter mehr oder weniger bekannte Menschen aus Film, Sport und Wirtschaft hinters Steuer eines Oldtimers zwängen, liegt nicht unbedingt an deren plötzlich entflammter Liebe zu diesen Fahrzeugen, sondern oft auch an der Aussicht auf mediale Präsenz. "Da wird die Berichterstattung zum Lockmittel", sagt Strassl, "das verwässert leider oft das Bild der Veranstaltung." Genauso wenig Verständnis kann er für diejenigen aufbringen, die alte Autos nur als gewinnträchtige Geldanlage betrachten. Denen sei das Auto dann zum Fahren viel zu schade. Die Folge: "Die schönen Stücke werden immer seltener." Stattdessen werden die Teilnehmerfelder der Rallyes mit Autos aus den 50er- und 60er-Jahren gefüllt. "Mercedes 190 SL und sogar 300 SL, Jaguar E-Type, MGA und VW Karmann gibt's beispielsweise wie Sand am Meer", sagt der Experte. Es soll schon Veranstalter gegeben haben, die solche Autos wieder Heim geschickt haben.

Die Fahrer der Autos mit dem Stern gelten in der Szene ohnehin als eine spezielle Gattung. "Mercedes-Fahrer wollen bewundert werden", sagt Strassl, statt den Zuschauern zuzuwinken, nähmen sie lieber die Huldigungen des Publikums entgegen. Bei weitem nicht so unnahbar, sondern ziemlich 'volksnah' seien dagegen VW Käfer-Piloten: "Da kommt der Sympathieeffekt zum Tragen." Ziemlich sportlich drauf sind dann wieder die Fahrer italienischer Marken wie Alfa Romeo und Lancia oder englischer Autos wie Austin Healey, Bentley oder Triumph: "Die wollen richtig Gas geben", sagt Strassl lächelnd, "das sind die wirklich Echten." Überhaupt - die Engländer! Denen sei das äußere Erscheinungsbild ihrer Fahrzeuge nicht so wichtig, Hauptsache, die Kiste läuft. "Die fahren oft, als gäbe es kein Morgen", erzählt Strassl.
Habe das Auto erst einmal eine gewisse Patina, werde die sogar noch eigens
herausgestellt: "Die schmieren Russ und Firnis auf die Karosserie, damit es so richtig wild aussieht." Der Kontinentaleuropäer dagegen, insbesondere der Deutsche, stecke seine ganze Liebe ins Äußere des Fahrzeugs, als wolle er jedem zeigen: Seht her, so schön war mein Auto damals.

Oldtimer-Rallyes, gibt Strassl zum Schluss zu bedenken, seien auch eine beziehungsintensive Angelegenheit, falls man zu zweit unterwegs sei. "Mit jedem Kilometer, den man fährt, werden die Tiere größer. Am Start ist es noch das Mäuschen, am Ziel die ausgewachsene Kuh oder der Ochse." Aber:
Zumindest bei seiner letzten Teilnahme blieb das Mäuschen auch bis zum Schluss ein Mäuschen: Gemeinsam mit seiner Frau Ingrid als Beifahrerin belegte er bei der diesjährigen "Südtirol Classic Schenna" den ersten Platz unter 160 Teilnehmern. Werner Wagner/mid Enstall Classic

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